Hallo liebe Nathalie, erzähl uns doch vielleicht erstmal wer du bist und was du machst?
Mein Name ist Nathalie, ich bin 24 Jahre alt und komme aus Wesseling, einer Stadt zwischen Köln und Bonn. Mit 15 Jahren habe ich meine Fachoberschulreife absolviert und bis dahin alles getan, um den Beruf der Erzieherin auszuüben. Das habe ich auch die letzten vier Jahre gemacht. Im letzten Jahr August war aber Schluss mit dem Erzieher-Dasein und es ging für mich nach Japan. Elf Monate, dank des Working Holiday Visums. Meine Zeit hier und weitere Reisen samt dazugehörigem Gedankenchaos lassen sich auf meinem Blog nachlesen.
Wie bist du heute morgen in den Tag gestartet?
Mein Wecker klingelte heute früh um neun Uhr. Da zur Zeit die Golden Week ist und viele japanische Bürger diese Woche für Urlaub nutzen, hatte auch ich heute keine Arbeit außerhalb. Stattdessen startete ich heute früh um zehn Uhr mit meinem Online-Teacher-Job. Heute stehen drei Unterrichtsstunden an.
Was hat dich nach Japan verschlagen? Warum Japan?
Ich habe bereits 2014 Japan für eine zweiwöchige Rundreise besucht. Damals noch mit einer Reisegruppe. Während dieser Reise habe ich ein unheimliches Gefallen an dem Land gefunden, welches ich nur aus Büchern, Dokumentationen und Erzählungen kannte. Ich hatte es lieben gelernt. Schon da stand für mich fest, dass ich ein weiteres Mal nach Japan wollte. Aber nicht als der „typische“ Tourist, nein. Ich wollte in Japan leben und arbeiten. Die Möglichkeit haben zu Reisen, ohne die Zeit im Nacken zu haben; das war mir wichtig.
Wie lief die Vorbereitungszeit ab? Gab es diese in ausreichender Form?
Meine Vorbereitungszeit startete gleich nach meiner Rundreise. Ich erzählte meinen Freunden von der Idee und paukte fleißig weiter Japanisch bei meiner Privatlehrerin. Hinzu kam zusätzlich ein Kurs am Japanischen Kulturinstitut in Köln. Für meine Reiseplanung stattete ich mich mit unzähligen Reiseführern aus und markierte, mit Hilfe von Notizzetteln, einfach all‘ das, was ich gerne besuchen wollte. Mein Abenteuer sollte eigentlich schon 2015 starten, verschob sich aber aus persönlichen Gründen um ein Jahr. Somit blieb noch mehr Zeit zum planen…
Was waren deine ersten Eindrücke und Erfahrungen?
Die ersten Eindrücke, während meines Working Holidays bestanden hauptsächlich zwischen dem Jubel „Du bist endlich wieder da!“ und „Hoffentlich funktioniert auch alles.“. Ich hatte mich 2014 in Japan verliebt und diese Liebe war nie verklungen. Auch während meiner ersten Tage war ich mir sicher: du tust das Richtige! Manchmal verlor ich diese positive Haltung jedoch… Fand sie am Ende aber glücklicherweise immer wieder.
Gab es Überraschungen?
Die gab es sicherlich. Schöne und auch nicht so schöne. Gefühlt hatte ich die „nicht so schönen“ aber gleich zum Anfang meiner Reise, was die Euphorie manchmal ein wenig gestoppt hat. Zum einen war da mein Besuch bei Hello Work (der japanischen Arbeitsagentur), die mich gleich in den Erzieherjob zurückdrängten, obwohl ich den nicht mehr wollte. Den Job im Kindergarten hatte ich dann doch angenommen, denn ein Job war besser als keiner; trotzdem ließ die nächste negative Überraschung nicht lange auf sich warten, denn statt einer Vollzeitstelle, war es plötzlich nur eine Stelle für drei Tage die Woche und nach meiner Kündigung wurden mir meine Überstunden nicht ausbezahlt. Dass sei in Japan ja „normal“. Für jemanden, der aus Deutschland kam und für die Überstunden frei bekam, war es das ganz und gar nicht.
Und dann natürlich mein erster Krankenhausbesuch. Jemals. Zuvor weder in Deutschland, noch wo anders im Krankenhaus gewesen. Wobei dieser nicht das Problem war, sondern der Unfall zuvor. Auf nassen Treppenstufen, verursacht durch einen nahen Taifun, bin ich ausgerutscht und habe mir dadurch den linken Unterarm bis zum Ellenbogen „aufgerissen“. Geholfen hat mir in der Station leider nicht wirklich jemand. Stattdessen bin ich mit blutendem Unterarm noch in mein Share-House gefahren. Die einzige Überlegung, während der Bahnfahrt: „Hoffentlich kommt kein Geschäftsmann mit seinem weißen Hemd mir zu nahe. Blut geht nicht so einfach raus.“ Es war Rush Hour. Und es hat – glücklicherweise – funktioniert.
Würdest du behaupten, dass es möglich ist, sich in Japan für die Dauer des Aufenthalts einzuleben oder sich zu integrieren?
Es ist ein wenig schwierig sich in Japan zu integrieren, da je nach Stadt die meisten Japaner eher für sich sind und wegen der Sprachprobleme den Kontakt zu Ausländern meiden. Da ich oft herumgereist bin, war es manchmal schwierig sich in den Städten einzuleben, doch in Japan allgemein konnte ich mich doch recht schnell einleben.
Wie würdest du die Japaner beschreiben? Oder verbringst du mehr Zeit mit anderen Internationals?
Wie zuvor schon erwähnt, fällt es den meisten Japanern eher schwer, auf Ausländer zuzugehen. Mit Ausnahme natürlich derer, die sich für das Ausland interessieren oder ggf. schon einmal selbst dort gelebt haben. Hier hatte ich das Glück auf eine wunderbare Deutsch-Japanische-Community zu treffen, mit denen ich in Tokyo immer unheimlich viel Spaß gehabt hatte. Zeit mit Internationals habe ich auch verbracht, da in meinem ersten Sharehouse tatsächlich fast ausschließlich Deutsche waren und ich unterwegs eher Kontakt zu Internationals herstellen kann, weil sie wenig Sorge davor haben, dass du sie nicht verstehen kannst. Alles in allem hätte ich mir aber gewünscht, noch mehr Zeit mit Einheimischen zu verbringen, was durch meine zurückhaltende Art, was die japanische Sprache angeht, doch schwierig ist.
Welche Teile der Städte, in denen du gelebt hast, würdest du zum Wohnen empfehlen und warum?
Ich habe in verschiedenen Städten in Japan gelebt. Da wären Tokyo, Osaka und Kyoto. Fukuoka steht noch auf der Liste.
In Tokyo habe ich insgesamt fünf Monate (nicht nacheinander) verbracht. Ich habe in Koto-ku und zwei Mal in Adachi-ku gewohnt, an zwei verschiedenen Orten. Auch in Musashino-shi habe ich einen Monat verbringen dürfen. Hier würde ich auf jeden Fall die Stadtteile Adachi-ku und Musashino-shi empfehlen. Sie sind ein wenig abseits, des üblichen Tokyoter Stadtbildes, was einem doch mal ganz gelegen kommen kann. Es ist seltenst überfüllt und man hat noch einiges an Natur, was in einer Großstadt wie Tokyo wahre Wunder wirken kann. Wichtig ist immer: nachschauen, ob eine Bahnstrecke (eine bezahlbare) in der Nähe verläuft. In meinem letzten Tokyomonat habe ich am Toneri-koen (Toneri-Park) gewohnt, der wunderschön ist, aber das Problem birgt, dass hier nur der Elektrozug Nippori-Toneri-Liner verkehrt, der leider alles andere als günstig ist.
In Osaka habe ich einmal in der Nähe der Shoji-Station gewohnt. Ein wenig abseits, aber man konnte alles in wenigen Minuten erreichen. Hier hatte ich – dank Airbnb – meine erste eigene Wohnung und war ganz froh, ein wenig Abseits von all dem Trubel zu sein. Weiter habe ich in Osaka direkt in der Nähe der Shinsaibashi gewohnt, der riesigen Einkaufsstraße ab Namba ausgehend. Ich habe drei Minuten zu Fuß gebraucht und war mitten im Trubel. Kann man haben, muss man aber nicht.
In Kyoto habe ich ein wenig vom Zentrum entfernt gewohnt. Doch hat man hier das Glück mit dem Bus in alle andere Ecken zu kommen, was natürlich äußerst praktisch ist.
Alles in allem, lebe ich lieber – wenn die Fahrtkosten angemessen sind – ein wenig außerhalb. Die Mieten sind etwas günstiger und man hat mehr Natur. Das typische Bild der Großstadt findet man eher selten, sodass man vor die Tür treten kann, ohne dass einem eine Vielzahl an Touristen über den Weg laufen.
Auch wenn diese Frage natürlich sehr individuell zu beantworten ist: Was ist das durchschnittliche Budget pro Monat? Was würdest du als Minimum empfehlen?
Das kommt tatsächlich auf die Stadt, die Wohnverhältnisse und dein „haben-wollen“ an. Meistens lag ich bei monatlich 400-600€ an Kosten, was Einkauf, auswärts essen gehen, Unternehmungen und Taschengeld, aber natürlich nicht die Miete beinhaltet. Möchte man ein wenig Reisen, sich auch mal was gönnen, ggf. teure Attraktionen, wie Freizeitparks besuchen, sind diese Kosten natürlich anzugleichen.
Ich würde monatlich mindestens von 400€ ausgehen. Wenn es weniger wird: gut so! Dann lässt sich etwas sparen für den nächsten Monat.
Hier in Japan habe ich mir angewöhnt ein Cash-Book zu führen, was ich nur jedem empfehlen kann. So kann ich genau ausrechnen, wieviel ich ausgegeben aber auch eingenommen habe.
Was war dein bisher schönster Moment in Japan?
Mein bisher schönster Moment war wohl der Sonnenaufgang über Japan, den ich vom Fuji-san aus sehen konnte. Im August hatte ich mich mit einer internationalen Reisegruppe auf den Weg gemacht, wie viele andere auch, den Fuji zu besteigen. Durch regnerisches Wetter war es nicht sicher, ob wir den Sonnenaufgang miterleben würden. Doch tatsächlich waren wir genau eine Minute vorher da und konnten uns zu den anderen Leuten gesellen und dieses Schauspiel bewundern.
Und der Schlechteste?
Ich glaube mein schlechtester Moment lässt sich aufteilen in viele kleine Momente. Viele kleine Momente, die das Wort „Heimweh“ beinhalten. Wenn Familie und Freunde einen brauchen und man ist tausende Kilometer weit weg, geht es einem leider nicht besonders.
Könntest du dir vorstellen auf Dauer dort zu bleiben?
Nein. *lacht* Niemals. Ich liebe Japan, das wird sich auch nie ändern. Jetzt gehört es noch viel mehr zu meinem Leben, als vor einigen Jahren. Aber mit der Mentalität könnte ich auf Dauer nicht warm werden. Ich habe schon oft mit Familie und Freunden darüber gesprochen: ich glaube, ich bin einfach „zu deutsch“, sodass ich ohne Probleme hier bleiben könnte.
Was ist dein Insider-Tipps für Besucher?
Da gibt es einige, aber so viel würde wahrscheinlich den Rahmen sprengen. Vielleicht einen, für die Hasenfans unter euch: wenn ihr in der Präfektur Hiroshima seid, besucht auch die Insel Okunoshima, die weltweit auch als Rabbitisland bekannt ist. Hunderte von freilaufenden Kaninchen, die es nur auf euch (und auf das Futter, welches ihr mitgebracht habt) abgesehen haben.
Und was würdest du jemandem sagen, der darüber nachdenkt ebenfalls nach Japan zu gehen?
Lerne die Sprache und traue dich, sie anzuwenden! Ich habe es leider bei mir erleben müssen, dass ich die Sprache zwar beherrsche, mich aber nicht traue sie anzuwenden. Andersherum habe ich auch Leute erlebt, die kein Japanisch sprechen, sich aber oftmals einbilden es zu können. Das bringt jemanden, wie mich – der sich zuvor auf den Hosenboden gesetzt hat, um es zu lernen – ein wenig auf die Palme. Nur weil du ein Ausländer bist, bist du nichts Besonderes…
Und zu guter Letzt: Wenn du Japan in 3 Wörtern beschreiben müsstest, welche wären es?
Anders – belebt – Traumland
Ich bedanke mich für deine Zeit, Mühen und Offenheit! Bis bald!
Sehr gerne : )