Und erneut hab ich einen Interviewpartner gefunden, bei dem ich eigentlich erwartet hätte, dass er vor lauter Glückseligkeit auf seiner karibischen Insel, überhaupt keine Zeit für Interviews hätte. Aber wie bereits bei meinem letzten Interview mit Romana über ihr Leben auf Bali, hab ich mich kurz darauf gefragt, ob dem wirklich so ist. Ist ein Leben in der Dominikanischen Republik, in der Hauptstadt Santo Domingo, um genau zu sein, wirklich so paradiesisch, wie man beim ersten Hören meint? Christian klärt uns auf. Zumindest über seine ganz persönliche Sichtweise und Erfahrungen nach mehr als drei Jahren vor Ort.
Ein Leben in der Dominikanischen Republik
Hallo lieber Christian, erzähl uns gerne erst einmal wer du bist und was du machst!
Ich bin Christian, 31 Jahre alt und wohne seit mehr als 3 Jahren in Santo Domingo. Ich arbeite hier bei einem Reiseveranstalter und erkunde nebenbei so viel wie es nur geht die wunderschöne Dominikanische Republik, die unglaublich vielfältig ist und vor allem in Bezug auf unberührte Natur extrem viel zu bieten hat. Seit einigen Jahren berichte ich außerdem auf My Travelworld über meine Reisen und Erlebnisse.
Wie sah dein Start in den Tag heute morgen aus?
Da heute Sonntag ist und ich ausnahmsweise am Wochenende mal nicht im Land unterwegs war, war ausschlafen und „tranquilo“ angesagt – das ist das spanische Wort für „ruhig“ und kann für alles verwendet werden, was entspannt und relaxed ist. Anschließend ging es auf einen lokalen Markt, um ein wenig Früchte und Gemüse zu holen.
Was hat dich nach Santo Domingo verschlagen?
Wie oben schon angedeutet die Arbeit. Ich hatte zuvor bereits 3 Jahre in der Karibik gewohnt (auf Grenada) und hatte nach einer einjährigen Weltreise ein spannendes Angebot aus der Dominikanischen Republik bekommen, weswegen ich diese Herausforderung gerne angenommen habe. Zudem wollte ich schon immer spanisch lernen, was übrigens dann hier vor Ort auch ziemlich fix ging.
Wie sahen deine Vorbereitungen aus?
Da es nicht mein erster Auslands-Aufenthalt war/ist, gab es keine speziellen Vorbereitungen. Meine Besitztümer beschränkten sich ohnehin auf ein Minimum und abgemeldet aus Deutschland war ich auch schon lange. Interessanter war da schon die Zeit vor meinem ersten Auslands-Aufenthalt in Grenada, als ich alle meine Wohnungs-Habseeligkeiten verkaufte, einige Impfungen vornahm, eine Krankenversicherung abschloss etc. – eben all die organisatorischen Dinge, die man vor solch einem Auslands-Aufenthalt machen muss.
Wie sahen die ersten 24 Stunden vor Ort aus?
Den ersten Tag verbrachte ich im Prinzip mit klassischen Erkundungstouren in Santo Domingo. Einmal durch die hübsche Kolonialzone laufen, schon einmal ein Auge auf mögliche Wohnungen werfen und natürlich der Gang in den Supermarkt, was ich übrigens in fremden Ländern immer besonders spannend finde, da man so einen natürlichen Einblick über Produkte, Preise, Kultur und andere Besonderheiten bekommt. Ein typischer Alltagsort eben. Zudem ging es schon mal auf eine kurze Stippvisite ins Büro vorbei, wo ich einige Tage später meine Arbeit beginnen sollte.
Wie riecht es in Santo Domingo?
Uff, ziemlich rau. Abgase, Stau und Müll sind hier leider an der Tagesordnung und auch ziemliche Probleme. Zum Glück wohne ich in der historischen Altstadt, der Zona Colonial. Hier ist es ein wenig ruhiger und ab und an schafft es auch einmal eine Meerbrise durch die Straßen, auch wenn der nächste Badestrand doch etwas weiter weg ist.
Was waren deine ersten Eindrücke und Erfahrungen?
Spannend war zu Beginn vor allem, wie offen die Menschen hier gegenüber Neulingen sind. Nach ein paar Wochen hatte ich schon dutzende Bekanntschaften, die man auch immer wieder auf der Straße bei einem gemütlichen Bierchen traf. Ansonsten ist Santo Domingo eine typische lateinamerikanische Großstadt. Da ich in den ersten Wochen (wie eigentlich auch nach wie vor noch) extrem viel herumgereist bin, waren die ersten Erfahrungen meines Lebens in der Dominikanischen Republik generell eigentlich die, dass ich überrascht und beeindruckt war von der extrem Vielfalt im Land und dass das klassische Bild des Landes mit All-Inclusive & Co. eigentlich gar nicht wahr ist, sondern nur einen winzig kleinen Teil auf der Landkarte einnimmt.
Gab es Überraschungen?
Die eben angesprochenen Punkte lassen sich denke ich auch auf diese Frage übertragen. Vor allem die beinahe Unendlichkeit an spannenden Zielen und Attraktionen war schon überraschend. Ansonsten gab es da eher weniger, denn irgendwie war ich die Karibik ja schon von meinen 3 Jahren zuvor gewöhnt, auch wenn es große Unterschiede zwischen der englisch- und der spanisch-sprachigen Karibik gibt.
Hat es lange gedauert bis du dich eingelebt hast? Fiel es leicht?
Aufgrund der oben schon angesprochenen Willkommenskultur sowie der offenen Menschen fiel es schon recht leicht, hier zurecht zu kommen. Aus diesem Grund sowie meiner bereits vorhandenen Erfahrungen im Ausland war das kein Problem, sodass ich ziemlich schnell vom Land begeistert war.
Wie würdest du die Menschen vor Ort beschreiben? Konntest du dich integrieren? Oder verbringst du mehr Zeit mit anderen Internationals?
Die Menschen hier lassen sich definitiv als typisch Latino beschreiben! 🙂 Offen, heißblütig, oft auf Ihr Äußeres bedacht, immer wild tanzend, Musikliebend über alles, aufgeschlossen für Neues. Das sind so die Dinge, die mir spontan einfallen.
Hier vor Ort bin ich eigentlich sowohl mit Locals als auch mit Expats unterwegs. Mit einer dominikanischen Freundin und mittlerweile fließend spanisch sprechend sollte ich wohl als gut integriert gelten. 😉
Auf der anderen Seite ist es manchmal einfacher, mit Expats die gleiche Wellenlänge zu finden, da man natürlich viele Dinge gemeinsam hat und ähnlich erlebt.
Welche Teile der Stadt würdest du zum Wohnen empfehlen und warum?
Definitiv die Zona Colonial, hier wohne ich auch schon seit Beginn. Anfangs wollte ich die Kolonialzone eigentlich meiden, weil ich dachte, es handelt sich dabei nur um eine überteuerte Touristen-Zone, wo tagtäglich Massen von Besuchern durchgeschoben werden. Doch weit gefehlt! Die Zona Colonial ist bei Dominikanern die In-Gegend schlechthin, abends spielt sich hier das Leben ab. Es gibt unzählige Cafés, Bars und Restaurants und dank der vielen historischen Häuser fühle ich mich oft wie in einem Freiluftmuseum, was ich sehr genieße. Zudem hat man hier alles in Geh-Entfernung und spart sich somit viele Stunden im Stau. Noch mehr Details findet ihr in meinem Artikel über die Zona Colonial.
Ansonsten gibt es aber auch noch andere schöne Gegenden. Den Wohnort in Santo Domingo würde ich ehrlich gesagt nach dem Arbeitsort auswählen, damit man kurze Wege hat – das ist viel wert in einer chronisch verstopften Stadt.
Auch wenn diese Frage natürlich sehr individuell zu beantworten ist: Was ist das durchschnittliche Budget pro Monat? Was würdest du als Minimum empfehlen?
Mit 1000 USD im Monat kommt man auf jeden Fall gut hin. Ich zahle rund 450 USD für meine kleine, möblierte, aber sehr zentrale Wohnung – wer hier ein wenig auf die Lage verzichtet, bekommt locker auch etwas für 200 USD. Für Nahrungsmittel benötige ich rund 200-300 USD im Monat und vom Rest kann man dann im Land reisen, Versicherungen bezahlen, ausgehen oder ähnliches. Es gibt viele Dinge, die hier deutlich günstiger sind als in Deutschland – allerdings auch wieder teuer, wenn man bedenkt, dass der Mindestlohn gerade einmal 200 USD beträgt.
Was war dein schönster Moment in Santo Domingo? Oder generell während deines Lebens in der Dominikanischen Republik?
Dadurch, dass mich eher das Land statt die Stadt selbst fasziniert, gibt es jetzt hier nicht so viele spektakuläre Momente direkt aus Santo Domingo. Da ich relativ weit oben wohne, sind meine schönsten Momente eigentlich der tägliche Sonnenaufgang, den ich im Halbschlaf von meinem Bett aus beobachten kann sowie der Sonnenuntergang, den ich wiederum von einer Gemeinschaftsterrasse auf der anderen Seite sehe, von der ich übrigens auch jetzt gerade dieses Interview schreibe.
Wenn ich es aufs Land beziehe, würde mir jetzt spontan eine spektakuläre Wanderung zu 4 versteckten Wasserfällen einfallen, die ich zusammen mit meiner Freundin unternahm – La Rejolla heißt dieses Wunderwerk der Natur.
Und gab es einen Schlechtesten?
Auch hier müsste ich wenn eher einen wiederkehrenden Moment nennen – und das ist der Müll in der Stadt. Er erschüttert mich jedes Mal, was erstens an Plastikbergen hier im Land produziert wird und zweitens wie sorglos es einfach in die Gegend geschmissen wird – egal ob auf die Straße, in die Natur, aus dem Autofenster oder ins Meer.
Ansonsten halten sich meine schlechten Momente hier zum Glück extrem in Grenzen.
Könntest du dir vorstellen für immer dort zu leben?
In Santo Domingo möchte ich definitiv nicht für immer bleiben und meine Zeit hier wird sich wohl auch im kommenden Jahr dem Ende neigen, um noch mehr von der Welt zu entdecken. Irgendwo am Meer in einem kleinen Strandort in der Dominikanischen Republik könnte ich es mir aber schon bedingt vorstellen, für immer zu leben. Da mich aber nach wie vor das Reisefieber nicht loslässt, werden erst einmal noch andere Länder erkundet.
Hast du Insidertipps für uns?
Klar! Hier meine Top 5 (davon alle in der Zona Colonial) für alle Santo Domingo Besucher:
– Parque Duarte: ein Park in der Zona Colonial, der sich abends zum offenen Treffpunkt für ein gemütliches Bier in Gesellschaft entwickelt. Wer Kontakt sucht, bleibt hier nicht lange allein.
– Sicily Restaurante: ein kleiner Laden (Restaurant trifft es nicht wirklich) in der Calle Sanchez mit den besten und kreativsten Empanadas (gefüllte Teigtaschen) der Stadt
– Navaricos: kleiner Tapas-Laden mit dem wohl günstigsten Wein der Stadt und netter Atmosphäre zum draußen sitzen
– Bonye: ein Freiluftkonzert, welches jeden Sonntag an den historischen Ruinen von San Francisco stattfindet, bei dem stets hunderte feierwütige Dominikaner und Expats zu den Bachata-, Merengue- und Salsa-Klängen einer einheimischen Band auf der Straße tanzen
– Parada 77: wer das aktive Nachtleben der Zona Colonial erkunden möchte, ist in dieser seit Jahren beliebten Bar genau richtig. Hier tanzt das Volk zu den dominikanischen Klängen, aber als Ausländer wird man dennoch nicht schräg angeschaut.
Was würdest du jemandem sagen, der darüber nachdenkt ebenfalls für längere Zeit nach Santo Domingo zu gehen?
Ich würde ihn fragen, ob er wirklich unbedingt nach Santo Domingo will oder ob es auch ein anderer Ort im Land tut. Das Leben in der Dominikanischen Republik ist traumhaft und es gibt so viele paradiesische Fleckchen in diesem Land, aber in Santo Domingo ist dies nur bedingt so. Insofern jemand, der eine lateinamerikanische Großstadt sucht, ist er hier genau richtig.
Wenn es denn aber Santo Domingo sein soll, würde ich ihm unbedingt die Zona Colonial als Wohnort raten und ihm sagen, dass er darauf achten soll, dass ihm seine Arbeit genügend Zeit gibt, das Land zu erkunden.
Und zu guter Letzt: Wenn du Santo Domingo in 3 Wörtern beschreiben müsstest, welche wären es?
Lateinamerikanisch, chaotisch, wachsend