Die Gefühle, die ich persönlich mit Paris verbinde, lassen sich gar nicht in Worte fassen. Das Spektrum reicht vom hüpfenden Herzen gepaart mit funkelnden Augen, bis hin zu Schmerz verursachender Traurigkeit. Nicht zuletzt aufgrund dieser Extremerfahrungen, die ich in der Stadt gemacht habe, kann ich nicht aufhören, mich mit großem Enthusiasmus über das Leben dort auszutauschen. Eigentlich hatte ich geplant, nur einen einzigen Erfahrungsbericht aus Paris in meine Blogkategorie „Leben in“ aufzunehmen. Doch bei der Suche nach einem Interviewpartner war die Resonanz so groß, dass ich mich dazu entschlossen habe, dem Thema in Form einer ganzen Reihe Platz auf dem Blog einzuräumen. Durch die Reihe „Aus dem Leben in Paris“ soll ein spannender und persönlicher Einblick in ganz individuelle Leben in Paris entstehen.

Teil 4 mit Moritz: Aus dem Leben in Paris

Hallo lieber Moritz, erzähl uns doch vielleicht erstmal wer du bist und was du machst?

Ich bin immer für eine Überraschung oder einen Spaß zu haben und wünsche mir, dass ich mein ganzes Leben interessiert an Neuem bleibe. Meine beiden Töchter sind erwachsen, leben ebenfalls in Paris und die ältere ist die Mutter meiner beiden Enkelkinder. Ich bin 53 Jahre alt, habe die letzten zwei Jahre eine familiär bedingte Berufspause gehabt und werde in diesem Jahr wieder anfangen für eine Technologie Firma, digitale Transformationsthemen zu treiben.

In meiner Freizeit fahre ich Rennrad, genieße Paris und freue mich neue Menschen kennenzulernen.

Wie bist du heute Morgen in den Tag gestartet?

Heute Morgen habe ich um 8:00 Uhr drei Freunde am Hippodrom Longchamp getroffen, um für etwa vier Stunden mit dem Rennrad in das Valais Chevreuse zu fahren; diese Touren in die Nähe von Paris sind immer ein super Erlebnis und die Rückfahrt in die Stadt hat etwas ganz Besonderes: man sieht sie quasi von oben, den Eiffelturm, die verschiedenen großen Kirchen, einfach das ganze Panorama.

Warum ausgerechnet Paris?

Im Herbst 2002 bekam ich von meiner damaligen Firma das Angebot in Paris zu arbeiten. Anfang 2003 bin ich aus Philadelphia nach Paris gezogen, im Sommer kam meine Frau mit den beiden Töchtern nach.

Wie lief die Vorbereitungszeit ab? Gab es eine?

Es ging alles sehr schnell. Meine Frau nahm bei einer Amerikanerin Französischunterricht, wir haben geschaut, wo man mit den Kindern gut wohnen kann. Dann wurde die Wohnung gesucht und los gings, ab ins sehr kalte Wasser: aus dem komfortablen Suburb von Philadelphia in das Gedränge der Pariser Banlieu…

Was waren deine ersten Eindrücke und Erfahrungen?

Es war furchtbar: so viel Verkehr, so unfreundliche Menschen, eine Sprache, die ich nicht konnte und das ausgerechnet für mich, der doch aus einem sehr „convenient“ Leben eines amerikanischen Vororts kam.

Gab es Überraschungen?

Auf die Hektik, Enge, Unfreundlichkeit und dieses Fremdsein, da ich die Sprache nicht konnte war ich nicht vorbereitet; ebenso wenig, wie auf die unglaubliche Tiefe und Schönheit dieser Stadt, die mich / uns sofort sehr in ihren Bann zog.

Hat es lange gedauert bis du dich eingelebt hast? Fiel es leicht, sich zu integrieren?

Ja, ich lebe mich immer noch ein, es ist ein konstanter Prozess, der wohl nie aufhört. Anfangs fiel es schwer sich zu integrieren, aber als wir allmählich den Code verstanden, ging es immer leichter.

Heute würde ich sagen, ich bin voll integriert: ein Pariser aus Deutschland, mit starken sprachlichen Schwächen…

Wie würdest du die Pariser beschreiben? Oder verbringst du mehr Zeit mit anderen Zugezogenen?

Sie sind sehr zugänglich, vorausgesetzt ich spreche sie richtig an: also auf Augenhöhe, auf Französisch, mit halbwegs korrekter Anrede und mit einem Lächeln. Dann sind sie super nett.

Die meiste Zeit verbringe ich mit meinen Pariser Freunden, die aus Frankreich, anderen Ländern und manchmal auch aus Deutschland zugezogen sind, oder, die oft auch echte Pariser sind.

Welche Teile der Stadt würdest du zum Wohnen empfehlen und warum?

Oh das ist eine schwierige Frage: die ganze Stadt ist empfehlenswert, es kommt darauf an, was man will Ruhe, Party, junge Leute, Luxus… ich würde immer versuchen intra-muros zu wohnen.

Auch wenn diese Frage natürlich sehr individuell zu beantworten ist: Was ist das durchschnittliche Budget pro Monat? Was würdest du als Minimum empfehlen?

Dazu kann ich nichts sagen, denn es hängt von der Familiensituation ab oder vielleicht anders: viele Dinge, die in Deutschland wichtig sind, braucht man hier nicht, wie bspw. Auto; große Wohnung.

Paris ist anders als London, New York oder … eine Stadt, in der es sich auch mit einem überschaubaren Budget gut leben lässt.

Was war dein bisher schönster Paris Moment?

Oh, das ist eine schwere Frage, vielleicht war es im Frühjahr 2017 als ich von einer Reise zurückkam und merkte wie das Leben weitergeht, wieder Mut gefasst hatte und förmlich spürte wie die Stadt mich aufnahm, das enge Netz der Pariser Freunde mich durch die Tiefen getragen hatte und ich seitdem bei jedem Gang in die Stadt nur sagen kann: das Leben ist schön!

Und der Schlechteste?

Als ich im Februar 2016 am Morgen nach der Beerdigung meiner langjährigen Gefährtin und großen Liebe allein in der Wohnung war und endlich Ruhe eingekehrt war. Da spürte ich ganz tief: es ist vorbei, dein bisheriges Leben so wie du es gelebt hast ist vorbei, und ich wusste nicht, wie es weitergehen wird.

Planst du für immer dort zu bleiben? Könntest du es dir vorstellen?

Ja, ich bin Pariser und will hier bleiben außer die Liebe oder ein super Job führt mich woanders hin.

Was sind deine Insider-Tipps für Paris Besucher?

Verlasst die Touristenpfade, sucht Restaurants mit französischen Karten, geht zu Fuß, nehmt Euch nicht zu viel vor, konzentriert Euch nicht nur auf die großen Sehenswürdigkeiten, es gibt unendlich viel zu entdecken, das in keinem Reiseführer steht, bspw. Belleville.

Und was würdest du jemandem sagen, der darüber nachdenkt ebenfalls nach Paris zu ziehen?

Mache es, du wirst es nicht bereuen, wenn du dich auf Paris, Frankreich, die Franzosen, die Kultur einlässt und bereit bist, ein paar deutsche Angewohnheiten nicht zu ernst zu nehmen.

Und zu guter Letzt: Wenn du Paris in 3 Wörtern beschreiben müsstest, welche wären es?

Love, love, love!

Ich bedanke mich für deine Zeit, Mühen und Offenheit!
Alors, à bientôt!


Hier geht es zu den anderen Teilen der Reihe:

Aus dem Leben in Paris – Teil 1 mit Marcus: „Ich liiiiiebe Baguette“

Aus dem Leben in Paris – Teil 2 mit Karin: „Laut, chaotisch und groß.“

Aus dem Leben in Paris – Teil 3 mit Laura: „Offen, entspannt, tolerant!“